Wie kann hausärztliche Arbeit zur Gesundheit der Bevölkerung beitragen? Herausforderungen an die ärztliche Professionalität

Vielleicht erinnert man sich noch an sein Seminar für medizinische Psychologie/Soziologie in der Vorklinik oder wie man in seinem Lehrbuch für Medizinische Soziologie fürs Physikum fleißig gelernt hat. Ein wichtiger Vertreter und Forscher dieses Faches ist der Medizinsoziologe und Hochschullehrer Prof. Johannes Siegrist, der unter anderem das Modell der beruflichen Gratifikationskrise postulierte. Mit seinem Keynote-Vortrag auf dem diesjährigen DEGAM-Kongress in Erlangen analysiert er das Beziehungsdreieck zwischen Arzt, Individuum und Gesellschaft und regt mit offenen Fragen zum eigenen Nachdenken an.

Im Rahmen seines Vortrags „Wie kann hausärztliche Arbeit zur Gesundheit der Bevölkerung beitragen? Herausforderungen an die ärztliche Professionalität“ wirft Prof. Johannes Siegrist sein Augenmerk auf die unterschiedlichen Rollen und Verbindungen untereinander, welche Arzt, Patient, Gesellschaft und Krankenkasse haben. Die medizinische Grundversorgung wird dabei durch Hausärztinnen und Hausärzte geleistet, die sich oft in einem ethischen Dilemma befinden, weil sie eine doppelte Verantwortung besitzen: Zum einem sind sie dem Individuum gegenüber verpflichtet, also ihren – teilweise schwer chronisch erkrankten – Patienten. Auf der anderen Seite haben sie auch eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Nicht nur das medizinische spielt daher eine Rolle, sondern gesamtgesellschaftlich betrachtet auch ein rationaler Umgang mit den begrenzt vorhandenen Ressourcen und ein wirtschaftliches Handeln. Diese Ambivalenz kann folglich zu vielen verschiedenen Problemen führen. Es ergibt sich ein Beziehungsdreieck aus Arzt – Patient – Krankenkasse. Wird dadurch die Autonomie des ärztlichen Berufes eingeschränkt? Man kann zumindest sagen, dass sich heutzutage durch unter anderem die Veränderungen der ärztlichen Tätigkeit neue Herausforderungen ergeben. So gibt es im ambulanten Sektor mittlerweile viele angestellte Ärzte. Sicherlich haben auch die ökonomischen Zwänge zugenommen. Doch droht damit die Deprofessionalisierung des Berufes?

Seit zwei bis drei Jahrzehnten gibt es laut Prof. Siegrist ein neues Paradigma des ärztlichen Handelns, mit dem Ziel, die Sicherheit zu erhöhen. Mit der Entwicklung und dem Erstarken der evidence-based medicine (EBM) ergeben sich nämlich viele Chancen: So stärkt der Wissenszuwachs die ärztliche Expertise (ein zentrales Element der Berufsprofessionalität), die Erkenntnisfortschritte verbessern sowohl Diagnostik als auch Therapie und eine Standardisierung (zum Beispiel bei Vorsorgeuntersuchungen) begünstigt bessere Verlaufs- und Erfolgskontrollen. Zwar sind die EbM-Empfehlungen nicht verallgemeinerbar auf jeden Kranken, bieten aber eine gute Empfehlungshilfe und sind ein wichtiger Teil des ärztlichen Handelns geworden.

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Wer schreibt hier

Daniel Pichler

Daniel, war in der Vorklinik seines Medizinstudiums erst an der LMU und dann für den klinischen Abschnitt an der TU München; verbringt seine Freizeit gerne mit Wandern in den Alpen

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